Die Herausforderung liegt nicht in der Verfügbarkeit von Technologie, sondern in der Auswahl der passenden Werkzeuge. Nicht jede KI-Lösung passt zu den spezifischen Anforderungen in Konstruktion, Fertigung oder Instandhaltung. Dieser Artikel gibt einen praxisorientierten Überblick über bewährte Einsatzfelder und konkrete Systeme.
Inhaltsverzeichnis
- Generatives Design: Wenn die KI mitdenkt
- Predictive Maintenance: Von der Störung zur Vorhersage
- KI in der Qualitätssicherung
- CAD-Software mit eingebauter Intelligenz
- Kollaboration und Dokumentation
- Regulatorische Aspekte
- Grenzen der KI-Technologie
- Häufige Fragen aus der Praxis
Generatives Design: Wenn die KI mitdenkt
Eine der faszinierendsten Entwicklungen der letzten Jahre ist das generative Design. Ingenieure geben Anforderungen, Ziele, bevorzugte Materialien und Fertigungsprozesse vor, während Algorithmen selbstständig optimierte Entwürfe generieren. Das Ergebnis sind oft Geometrien, die ein Mensch so nicht entworfen hätte – leichter, stabiler oder material- und kosteneffizienter.
Praxiserprobte Systeme
Etablierte CAD-Anwendungen haben solche Funktionen bereits integriert:
Autodesk Fusion 360 bietet Möglichkeiten, Entwurfsoptionen mithilfe von KI-Algorithmen zu untersuchen und automatisch zu optimieren. Siemens NX und Solid Edge haben mittlerweile ebenfalls KI-gestützte Designfunktionen implementiert, die besonders bei der Topologieoptimierung punkten. PTC Creo erweitert sein Portfolio kontinuierlich um intelligente Assistenzfunktionen.
Besonders spannend wird es, wenn generatives Design mit additiver Fertigung kombiniert wird: Strukturen, die konventionell nicht herstellbar wären, lassen sich per 3D-Druck realisieren. Früher mussten Konstrukteure solche Entwürfe mühsam manuell entwickeln, heute analysiert die KI Belastungsfälle und schlägt optimierte Varianten vor.
Was bedeutet das für KMUs?
Man muss nicht zwingend ein eigenes KI-Team aufbauen. Viele CAD-Systeme bieten heute intelligente Funktionen im Abo-Modell. Der Aufwand liegt eher in der Einarbeitung und im Verständnis dafür, wie man Algorithmen sinnvoll mit Randbedingungen füttert. Ein typischer Einführungsschritt: Mit einfachen Optimierungsaufgaben starten, etwa der Gewichtsreduzierung von Halterungen oder Gehäusen, bevor man komplexere Baugruppen angeht.
Predictive Maintenance: Von der Störung zur Vorhersage
Ein weiterer Bereich, in dem sich KI-basierte Systeme zunehmend bewähren, ist die vorausschauende Wartung. Statt Maschinen nach festen Intervallen zu warten, analysieren Algorithmen Sensordaten in Echtzeit und erkennen Muster, die auf bevorstehende Ausfälle hindeuten.
Konkreter Nutzen in der Praxis
Das spart nicht nur Kosten durch ungeplante Stillstände, sondern optimiert auch die Ersatzteilhaltung. Ein Mittelständler aus Baden-Württemberg konnte laut VDMA-Bericht 2024 durch KI-basierte Schwingungsanalyse die Stillstandszeiten einer Produktionslinie um 20 Prozent senken – ohne zusätzliches Personal in der Instandhaltung.
Die Datenfrage
Praktisch zeigt sich allerdings: Predictive Maintenance funktioniert nur mit ausreichend Datengrundlage. Kleinere Maschinenparkbetreiber haben oft das Problem, dass sie nicht genug historische Maschinendaten besitzen. Trotzdem lohnt der Einstieg, etwa über cloudbasierte Anwendungen, die bereits mit relativ kleinen Datenmengen arbeiten können und über Benchmarking-Daten aus ähnlichen Anlagen lernen.
Wer sich intensiver mit vorausschauender Wartung beschäftigen möchte, findet in unserem Artikel „Predictive Maintenance 2.0 – von Algorithmen zu autonomen Agenten“ eine fundierte Vertiefung des Themas.
KI in der Qualitätssicherung: Schneller, präziser, objektiver
Die Qualitätssicherung im Maschinenbau wurde durch Künstliche Intelligenz auf ein neues Level gehoben. Bildverarbeitungssysteme, die auf neuronalen Netzen basieren, erkennen Fertigungsfehler oft zuverlässiger als das menschliche Auge – und das bei deutlich höherem Durchsatz.
Inline-Prüfung wird Standard
Moderne Systeme zur automatisierten Qualitätskontrolle arbeiten mit Kameras und Deep Learning, die Kratzer, Risse, Maßabweichungen oder Oberflächenfehler in Millisekunden klassifizieren. Über Schnittstellen wie OPC UA oder MQTT lassen sich diese Prüfsysteme nahtlos in bestehende Fertigungslinien integrieren.
Der Vorteil gegenüber klassischen regelbasierten Ansätzen: Moderne KI-Modelle lernen aus Beispielen und können sich an neue Fehlertypen anpassen, ohne dass die Software neu programmiert werden muss. Gerade bei variantenreicher Fertigung ein echter Gewinn.
ROI oft schon nach wenigen Monaten
Einige Anbieter bieten mittlerweile modulare Anwendungen an, die sich ohne tiefgreifende Programmierkenntnisse einbinden lassen. Der Return on Investment ist oft schon nach wenigen Monaten spürbar, wenn Ausschusskosten sinken und Nacharbeit reduziert wird. Ein Hersteller von Präzisionsteilen berichtete von 40 Prozent weniger Reklamationen nach Einführung KI-gestützter Bildverarbeitung.
CAD-Software mit eingebauter Intelligenz
Mit AutoCAD 2025 hält Künstliche Intelligenz verstärkt Einzug in die CAD-Welt und verändert Konstruktions- und Entwurfsprozesse grundlegend. KI-gestützte Funktionen automatisieren wiederkehrende Aufgaben, schlagen Optimierungen vor oder beschleunigen die Modellierung durch intelligente Vervollständigung.
Feature Recognition und automatische Bemaßung
Moderne CAD-Systeme wie SolidWorks oder BricsCAD nutzen KI für Feature Recognition – die automatische Erkennung von Geometriemerkmalen – sowie für die automatische Bemaßung. Das reduziert Routineaufgaben erheblich und minimiert Fehler bei der Zeichnungserstellung.
Intelligente Konfiguratoren, die in CAD-Systeme integriert werden, ermöglichen es, auf Basis vordefinierter Regeln und Parameter individuelle Designs automatisch zu generieren. Das reduziert die Konstruktionszeit erheblich, etwa bei der Erstellung von Variantenkonstruktionen oder kundenspezifischen Anpassungen.
Auch E-CAD profitiert
Auch im Bereich E-CAD tut sich einiges: Anbieter wie WSCAD haben KI-gestützte Funktionen implementiert, die selbst weniger erfahrenen Anwendern komplexe Aufgaben abnehmen und Experten Zeit für strategisch wichtigere Projekte verschaffen. Die digitale Prozesskette von Elektroplanung bis Fertigung wird dadurch erheblich beschleunigt.
Kollaboration und Dokumentation: KI als Assistent im Engineering-Alltag
Nicht jede KI-Anwendung im Maschinenbau ist ein hochspezialisiertes Werkzeug. Gerade im Projektalltag helfen auch generische KI-Assistenten enorm: Automatische Protokollierung von Meetings, intelligente Suchfunktionen in technischen Dokumentationen oder KI-gestützte Übersetzungen von Normen und Spezifikationen aus anderen Sprachräumen.
Praktische Unterstützung im Tagesgeschäft
Sprachmodelle wie ChatGPT oder spezialisierte Engineering-Assistenten können Berechnungen durchführen, Code-Snippets für SPS-Programme erstellen oder bei der Fehlersuche in komplexen Systemen unterstützen. Wichtig dabei: Diese Lösungen ersetzen nicht das Fachwissen, sondern beschleunigen Routineaufgaben und bieten eine zusätzliche Perspektive.
KI-basierte Plattformen unterstützen Ingenieurteams dabei, unabhängig vom Standort nahtlos zusammenzuarbeiten – ein Aspekt, der gerade in Zeiten hybrider Arbeitsmodelle an Bedeutung gewinnt. Automatische Versionskontrolle, intelligente Vorschläge bei Konflikten oder die automatische Generierung von Änderungsdokumentationen gehören zu den Funktionen, die den Arbeitsalltag spürbar erleichtern.
Regulatorische Aspekte: Was Ingenieure beachten müssen
Europa ist weltweit die erste Region, die künstliche Intelligenz als regulierte Industrie einstuft. Der EU AI Act und die Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 schaffen verbindliche Regeln für Unternehmen, die KI entwickeln oder nutzen.
Was das konkret bedeutet
Wer KI-Systeme in sicherheitskritischen Bereichen einsetzt – etwa in der Steuerung von Maschinen oder in Qualitätskontrollen – muss Nachweispflichten erfüllen. Transparenz über Funktionsweise und Entscheidungsgrundlagen der KI wird wichtiger. Dokumentation, Validierung und regelmäßige Audits gehören zum Standard.
Das klingt nach Mehraufwand, schafft aber auch Rechtssicherheit und Vertrauen bei Kunden und Partnern. Besonders relevant wird das im Kontext der CE-Kennzeichnung. Software, die Sicherheitsfunktionen übernimmt, muss nachweislich zuverlässig arbeiten – auch wenn sie auf maschinellem Lernen basiert.
Praxistipp für KMUs
Kleinere Betriebe sollten frühzeitig prüfen, ob ihre geplanten KI-Anwendungen unter die Hochrisiko-Kategorie des AI Act fallen. Beratung durch spezialisierte Rechtsanwälte oder Normungsexperten kann hier vor bösen Überraschungen schützen. Der VDMA bietet dazu mittlerweile Leitfäden und Workshops an.
Wo liegen die Grenzen?
So vielversprechend KI-Tools auch sind: Sie haben klare Limitierungen. Algorithmen sind nur so gut wie die Daten, mit denen sie trainiert wurden. Bei unzureichenden oder verzerrten Trainingsdaten drohen fehlerhafte Ergebnisse.
KI ersetzt nicht das Urteilsvermögen
Künstliche Intelligenz kann Muster erkennen und Vorschläge machen, aber die Verantwortung für Entscheidungen bleibt beim Menschen. KI-Systeme im Maschinenbau sollten nie völlig autonom entscheiden, sondern stets menschliche Freigaben oder Überwachung erfordern – gerade bei sicherheitsrelevanten Anwendungen.
Infrastruktur und Datenschutz
Gerade in kleineren Betrieben ist auch die IT-Infrastruktur ein Thema. Cloud-basierte Anwendungen sind komfortabel, werfen aber Datenschutzfragen auf. On-Premise-Lösungen bieten mehr Kontrolle, erfordern aber eigene Server und IT-Kompetenz. Hybride Modelle mit Edge Computing – bei denen Datenanalyse teilweise lokal auf Maschinen erfolgt – gewinnen als Kompromiss an Bedeutung.
Ein weiterer Punkt: Die Einarbeitungszeit wird oft unterschätzt. Nur weil ein Tool KI-gestützt ist, heißt das nicht, dass es sich von selbst bedient. Schulungen, Testphasen und schrittweise Integration sind unverzichtbar.
Häufige Fragen aus der Praxis
Brauche ich als KMU überhaupt KI-Tools, oder sind die nur für Großkonzerne sinnvoll?
KI-Tools sind längst nicht mehr nur großen Playern vorbehalten. Viele Anwendungen sind heute modular aufgebaut und lassen sich im kleinen Maßstab testen. Gerade cloudbasierte Angebote mit nutzungsabhängiger Abrechnung senken die Einstiegshürden erheblich.
Entscheidend ist weniger die Unternehmensgröße als vielmehr die konkrete Problemstellung: Gibt es repetitive Aufgaben, große Datenmengen oder komplexe Optimierungsfragen? Dann können KI-basierte Systeme einen echten Mehrwert bieten.
Wie finde ich heraus, welches KI-Tool für meinen Betrieb passt?
Am Anfang steht immer die Analyse des Ist-Zustands: Wo verlieren wir Zeit? Wo entstehen Fehler? Wo könnten wir mit besseren Datenanalysen mehr herausholen? Danach folgt die Recherche nach spezialisierten Anwendungen – oft lohnt der Austausch mit Branchenkollegen oder der Besuch von Fachmessen wie der Hannover Messe oder der SPS in Nürnberg.
Wichtig: Starten Sie nicht mit der größten Baustelle, sondern mit einem überschaubaren Testprojekt, das schnell Erfolge zeigt und Akzeptanz schafft. Ein klassischer Einstieg ist etwa die KI-gestützte Bildverarbeitung in der Qualitätskontrolle oder die Optimierung einzelner Bauteile durch generatives Design.
Ersetzt KI Ingenieure oder macht sie bestimmte Jobs überflüssig?
Nein. KI verändert Aufgabenprofile, ersetzt aber nicht die Ingenieursexpertise. Routine- und Dokumentationsaufgaben werden automatisiert, wodurch mehr Zeit für kreative Problemlösung, strategische Planung und echte Innovationsarbeit bleibt.
Die Nachfrage nach Ingenieuren mit KI-Kompetenz steigt sogar – wer versteht, wie die Systeme funktionieren und sie sinnvoll einsetzen kann, wird gefragter denn je. Früher mussten Ingenieure manuelle Berechnungen durchführen, heute überwachen sie KI-gestützte Simulationen und bewerten deren Ergebnisse kritisch.
Welche Daten brauche ich, um KI-Tools sinnvoll zu nutzen?
Das hängt stark vom Einsatzbereich ab. Für generatives Design brauchen Sie klare Anforderungsprofile und Randbedingungen, für Predictive Maintenance Sensordaten über längere Zeiträume, für Bildverarbeitung ausreichend gelabelte Trainingsbilder.
Grundsätzlich gilt: Je strukturierter und qualitativ hochwertiger die Maschinendaten, desto besser die Ergebnisse. In vielen Fällen lohnt es sich, zunächst die Datenbasis zu verbessern, bevor man KI-Projekte startet. Investitionen in moderne Sensorik und Datenerfassung zahlen sich langfristig aus.
Wie steht es um den Datenschutz bei cloudbasierten KI-Lösungen?
Ein berechtigtes Anliegen, gerade im deutschen Mittelstand. Seriöse Anbieter garantieren DSGVO-konforme Datenhaltung auf europäischen Servern, bieten Verschlüsselung und klare Datennutzungsrichtlinien.
Vor der Implementierung sollte man prüfen: Wo liegen die Daten? Wer hat Zugriff? Dürfen sensible Konstruktionsdaten das Unternehmen überhaupt verlassen? Alternativ gibt es auch On-Premise-Lösungen oder hybride Modelle, die mehr Kontrolle ermöglichen. Moderne Smart Factory-Konzepte mit Edge Computing verarbeiten kritische Daten oft lokal, während nur aggregierte Analyseergebnisse in die Cloud gehen.
Der Weg zum sinnvollen KI-Einsatz
Die Integration von KI-Tools im Maschinenbau ist kein Sprint, sondern ein strategischer Prozess. Erfolgreiche Unternehmen starten meist mit klar definierten Pilotprojekten, schaffen Akzeptanz im Team und bauen dann Schritt für Schritt weitere Anwendungen auf.
Fehlerkultur als Erfolgsfaktor
Dabei hilft eine offene Fehlerkultur: Nicht jeder Versuch wird sofort erfolgreich sein, aber jeder liefert wertvolle Erkenntnisse. Ein süddeutscher Maschinenbauer berichtete, dass drei verschiedene Pilotprojekte nötig waren, bevor sie die passende KI-Anwendung für ihre Produktionslinie fanden – die dann aber nachhaltig Durchlaufzeiten verkürzte.
Wer heute damit beginnt, KI-gestützte Werkzeuge zu verstehen und gezielt einzusetzen, verschafft sich einen klaren Wettbewerbsvorteil. Die Technologie ist ausgereift genug, um konkrete Probleme zu lösen, und gleichzeitig flexibel genug, um mit den Anforderungen zu wachsen.
Mensch und Maschine als Team
Entscheidend ist am Ende nicht die Frage, ob man KI einsetzt, sondern wie klug man sie in die digitale Prozesskette integriert – als Werkzeug, das Ingenieure befähigt, nicht ersetzt. Die Kombination aus menschlicher Erfahrung und maschineller Datenanalyse ist es, die moderne Automatisierungslösungen so leistungsfähig macht.
Weitere Informationen zu Digitalisierung und KI im Maschinenbau finden Sie regelmäßig auf dswerk.de. Unsere Artikel zu Digitalen Zwillingen im Maschinenbau, KI-Agenten in der Industrie oder geometrischen Toleranzen vertiefen Aspekte der digitalen Transformation. Bei Fragen oder Anmerkungen erreichen Sie uns über das Kontaktformular.
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